Shibori Technik: So funktioniert die traditionelle Färbekunst mit einzigartigen Mustern
Shibori Technik – was ist das eigentlich?
Shibori ist eine hochentwickelte, traditionelle Resist- und Färbetechnik, die ursprünglich aus Japan stammt. Der Begriff Shibori leitet sich vom japanischen Verb Shiboru ab und bedeutet “wringen, pressen, drücken” – was die gezielte Manipulation von Stoffen vor dem Färben beschreibt. Durch Methoden wie Falten, Abbinden, Pressen, Klemmen, Nähen oder Wickeln werden gezielt Bereiche des Stoffes von der Farbe ausgespart. Dadurch entstehen komplexe Muster mit einzigartigen Strukturen.
Traditionell wurden Naturstoffe wie Hanf und Seide verwendet. Zum Färben kamen Pflanzenfarben, insbesondere Indigo, zum Einsatz, da synthetische Farben damals nicht verfügbar waren. Mit der Industrialisierung und neuen Farbstoffen wurde die Shibori-Technik vereinfacht und ermöglichte beständigere Farbergebnisse.
Die Kunst des Shibori hat eine lange Tradition. Historische Techniken und Muster wurden innerhalb von Familien weitergegeben und waren oft regional geschützt. In Yoshiko Iwamoto Wada‘s Buch “The Inventive Art of Japanese Shaped Resist Dyeing” sind viele dieser alten Rezepte dokumentiert. Früher waren die Näh- und Bindetechniken besonders beliebt, aber auch sehr aufwändig und folgten festen Mustervorgaben, ein Spiegel der Zen-Philosophie des Perfektionismus widerspiegelt.
Im Deutschen Textilmuseum in Krefeld-Linn findet sich die folgende Shibori Arbeit, Baumwolle indigogefärbt, unbekannte Zeit, unbekannter Künstler.
Die Technik ist wahrscheinlich Tekumo Shibori, es wird Stoff in einer Art Schlaufe mit dem Haken gehoben und stramm abgebunden. Das Muster ist vorher markiert, zuerst wird unten, dann nach oben kreuzartig eng abgebunden, die ganze Fläche wird gefüllt. Damit stramm gearbeitet werden kann, wird der Stoff in einen Ständer eingehängt. Die gesamte Stoffmenge wird über einem dicken Seil verteilt. Dann wurde offensichtlich mit Indigo gefärbt, die gesamte noch sichtbare Fläche ist dunkelblau. Anschließend wird der Faden an einem Stück abgewickelt und das Muster erscheint. Durch das Trocknen im gebundenen Zustand verformt sich der Stoff plastisch, was zum Musterbild gehört.
Shibori Technik erklärt – So funktioniert Shibori
Shibori ist eine Reserve-Färbetechnik, bei der bestimmte Stoffbereiche durch verschiedene Methoden vor der Färbung reserviert werden. Das Prinzip: dort, wo der Stoff abgebunden, abgenäht oder gefaltet ist, kann er keine Farbe aufnehmen. Die Muster entstehen durch die gezielte Manipulation des Stoffes.
Ein zentrales Gestaltungsmerkmal ist die Wiederholung, die sich durch systematische Faltung und Stabilisierung des Stoffes ergibt. Die Faltungen ermöglichen es, erstaunlich große Stoffstücke zu bearbeiten. Je nach Technik können die Muster scharf abgegrenzt oder sanft verlaufend sein, von zarten Nuancen bis zu starken Kontrasten.
Die Art des verwendeten Farbstoffs beeinflusst das Endergebnis maßgeblich. Früher war Indigo die hauptsächliche Pflanzenfarbe. Heute gibt es vielfältige Möglichkeiten:
- Pflanzenfarben z.B. Indigo, aufwändig aber besonders, für alle Naturstoffe geeignet
- Reaktivfarben, moderne Färbemethode mit hoher Farbintensität, für pflanzliche Stoffe kombiniert mit alkalischer Lösung
- Direktfarben, einfache, schnelle Färbung, etwas weniger echt, für alle Naturstoffe geeignet
Die chemische Zusammensetzung der Farbe bestimmt die Wirkung der Muster, der Art der Verläufe, von sanften Farbabstufungen bis hin zu intensiven Kontrasten. Auch die Echtheiten bestimmen sich durch die Farb-Chemie.
Welche Shibori Techniken gibt es?
Die Shibori-Technik umfasst zahlreiche Methoden, die jeweils spezielle Muster erzeugen. Hier sind einige der bekanntesten traditionellen Shibori-Muster. Die Musterbilder haben ihren Namen nach ihrer Wirkung, zum Beispiel Arashi Shibori, welches durch die dynamischen Streifen an einen Sturm erinnert.
Alle folgenden Muster sind traditionell gefaltet und vorbereitet, aber nicht traditionell gefärbt. Ich habe sie mit Reaktivfarbe auf Seide partiell und kleinflächig gefärbt. Denn für kleinere Stoffmengen wäre ein großes Färbebad eine Verschwendung von Ressourcen.
Obwohl die Muster durch die Mustervorschriften eindeutig wiedererkennbar sind, entstehen durch den manuellen Prozess feine Variationen, die jedem Stoff ein einzigartiges Design verleihen.
In 4 Schritten zum ersten Shibori Muster
Baumwollschal in der Twist Shibori Technik oder Hachinosu Shibori
Hachinosu bedeutet „Bienenwabe“, und das beschreibt das Muster sehr gut. Der Stoff wird parallel oder spiralförmig um ein möglichst dickes Seil gewickelt und dann fest verdreht. Die Enden werden mit Band befestigt. Die Verdrehung erzeugt kleine, gleichmäßige rautenförmige Farbflächen, die harmonisch wirken. Das Muster ähnelt einer Wabenstruktur – daher der Name. Das Muster wirkt sehr gleichmäßig mit weichen Übergänge zwischen hellen und dunkleren Bereichen. Die Färbung macht das Muster noch interessanter.
1. Vorbereitung der Baumwolle
- Waschen: Die Baumwolle muss vor dem Färben mit Soda oder einem milden Waschmittel entfettet werden .
- Sodabad ansetzen: Pro Stück ein Esslöffel Soda in heißem Wasser auflösen. Auf 1 Liter mit lauwarmen Wasser auffüllen. Dann den Stoff hinein legen, ca 5 Minuten einziehen lassen und ausdrücken. Nicht trocknen, denn die Feuchtigkeit hilft, die Farbe gleichmäßig in den Stoff zu verteilen.
Wenn Reaktivfarbe benutzt wird, ist eine alkalische Lösung (hier Soda) notwendig, um die Farben mit der Faser zu verbinden. Das ist die Fixierung, die sehr gute Licht- und Waschechtheit ergeben. Die reaktive Farbe geht mit allen pflanzlichen Stoffen eine Verbindung ein, also ist sie auch geeignet für Leinen und Viscose. Für tierische Fasern wie Seide und Wolle gibt es ein anderes Rezept.
Tipp: Beim Anrühren der Pulverfarbe und des Sodabads vorsichtig arbeiten und die Dämpfe nicht einatmen, besser eine Maske tragen. Auch sind Gummihandschuhe sinnvoll und eine passende Arbeitskleidung: Vorsicht Farbe!
2. Vorbereitung der Reaktivfarbstofflösung
Man kann verschiedene Farbstoffarten benutzen, die unterschiedliche Vor- und Nachteile haben. Ich empfehle reaktive Farben, sie sind brilliant, umweltverträglich und ergiebig. Sortennamen sind z.B. Procion MX, Dylon, Remazol. Es gibt es kleine Unterschiede, aber der Grundprozess ist ähnlich.
Farbpulver in Wasser auflösen:
- Etwa 5-10 g Farbpulver pro Liter Wasser auflösen (Menge hängt von gewünschter Farbintensität ab).
- Warm, aber nicht zu heiß (30–40°C) anrühren, damit sich der Farbstoff gut löst.
Salz hinzufügen:
- Ca. 100-200 g normales Kochsalz pro Liter Wasser (je nach Stoffmenge).
- Salz hilft, die Farbe besser in den Stoff zu ziehen und zu verteilen




3. Färben des Stoffes – 2 Möglichkeiten – 2 Muster
3.1 Das getwistete Stoffstück punktuell mit Farbe versehen
Am besten Farbe mit einer Pipette aufnehmen und blockweise auftragen. Z.B. wir unterteilen den Stoff in 5 Teile und färben dort die gewünschte Farbe. Das kann eine sein in verschiedenen Verdünnungen (mit Wasser verdünnen = heller machen) oder auch mehrere. Soviel auftragen, dass Farbe gerade nicht rausläuft, sonst die Überschussfeuchtigkeit mit einem Handtuch abnehmen. Alles hat Farbe. Dann noch ein farbliches Highlight setzen mit einer Kontrastfarbe, die wenig in die gedrehten Zwischenräume mit der Pipette auftragen.




3.2 Stoff mit Twistreserve vorsichtig in der Färbeflotte färben
- Die Faltung oder Abbinde-Technik bleibt bestehen.
- Stoff vorsichtig bewegen, damit die Farbe gut einzieht.
- Ca 20–30 Minuten einwirken lassen
- Je länger die Färbung, desto intensiver das Ergebnis.
- Eventuell das Stoffstück herausnehmen und es als fertig gefärbt betrachten
- Oder nur ein Ende länger färben, das ergibt eine Farbschattierung




Tipps für gleichmäßige oder besondere Effekte:
- Für sanftere Übergänge – Stoff vor dem Färben stärker anfeuchten.
- Für kräftige Kontraste – Stoff fast trocken lassen, damit die Farbe nicht zu stark verläuft, oder zunächst eine Farbe färben, mehr trocknen lassen und dann die Kontraste erhöhen
- Bei mehrere Farben – Erst die helleren, als Basis, dann die mittleren und dunkleren Töne färben.
- Special Effekt, Farbspritzer in einer Kontrastfarbe in einige Zwischenräume setzen
4. Fixierung und Nachbehandlung
- Die Fixierung kommt bei der Färbung in der Farblösung durch die Wärme und Zeit im Färbebad zustande. Bei der punktuellen Färbung mit der 24 Stunden Verweilfixierung; dazu das Stoffteil in eine Plastiktüte legen, verschließen und nach 24 Stunden unter fließendem Wasser ausspülen, keine Farbe kommt raus!.
- Für die Nachbehandlung mehrmals mit warmem Wasser und mildem Waschmittel auswaschen, bis das Wasser klar bleibt. Am besten lufttrocknen lassen oder im feuchten Zustand leicht bügeln. Das erste tolle Ergebnis mit leuchtenden Farben und interessantem Muster ist fertig! Stolz ist angebracht.
Mein Fazit
Shibori ist eine faszinierende, handwerklich anspruchsvolle Technik, die durch ihre Vielseitigkeit und einzigartigen Muster besticht. Jede Muster-Methode hat ihre eigene ästhetische Wirkung, und durch die manuelle Verarbeitung ist jedes Stück ein Unikat. Ob traditionell mit Indigo oder modern heute wieder vermehrt mit Pflanzenfarben und mit neuen Färbemethoden. Durch die wachsende Wertschätzung für Handwerkliches in Verbindung mit nachhaltiger Mode und schonendem Umgang mit Ressourcen gewinnt die Shibori-Technik erneut Interesse. Shibori vereint Präzision, Spontanität und Kreativität und erzeugt eine besondere Ästhetik.
Weitere Informationen über Shibori findest Du zum Beispiel bei der “World Shibori Network Foundation”
Informationen zu meinen Shibori-Kursen gibt es hier.
Schau Dir meine Shibori-Schals im Online-Shop an.